Mittwoch, 8. Februar 2017

In Ubud


Ich trinke Kopi Bali in einem dieser edlen Cafés in der berühmt-berüchtigten Monkey Forest Road, die in Wirklichkeit anders heißt. Der Kaffee wird nicht mehr im Glas serviert, den Zucker schon eingerührt, egal wie süß man ihn will, sondern in der Tasse, mit Unterteller und Zuckerdose; der Zucker, braun oder weiß. Wer mag, bekommt auch ein Kännchen. Mindestens ist noch ein wenig Satz in der Tasse, aber selbst hier ist der Kaffee lasch, nur eine schwarz-braune Brühe.
Soweit der Unterschied nach über zwanzig Jahren. Alles andere will ich nur skizzieren: Starbucks vor der Pura Sukawati, der Lotusteich, den ein steinerner Teppich halbiert, der Markt, der nun in einem Gebäude untergebracht ist oder die breiten, vom Verkehr überfüllten Straßen, die dem Fußgänger keinen Platz mehr lassen. Erst gar nicht zu reden von den Edelboutiquen, die alle Straßen säumen. Keine Kioske mehr, keine vollgepackten chinesischen Läden mehr, nur noch wenige Warungs. Den Nachtmarkt habe ich noch immer nicht gefunden. Ich werde fragen müssen. Im Zentrum gibt es ihn nicht mehr. Es ist schwer, preiswert und gut zu essen. Ich habe den ersten einigermaßen authentischen Warung aufgetrieben, indonesische Küche, nicht der eigenartige westlich-indonesische Mix. Natürlich Nasi Goreng, mit dem obligatorischen Spiegelei on top.

Monkey Forest Road

Erst außerhalb der Stadt, wenn ich weit genug laufe, finde ich Bali wieder. Aber wer macht sich schon auf die weiten Wege, wenn der Konsum so nahe liegt. Nur wenige. Die meisten Besucher begnügen sich mit motorisierten Ausflügen oder damit, durch die Straßen im Zentrum zu flanieren. Shopping als touristische Attraktion. Der kapitalistische Konsumterror hat Ubud voll im Griff. Ihn haben wir hierhergebracht. Und viele Einheimische sind dabei reich geworden. Ich gönne ihnen den westlichen Way Of Life. Letztlich will den doch jeder, und auch ich stelle da keine Ausnahme dar, wenn es überhaupt noch eine gibt. Ich beklage mich nicht, ich beobachte, stelle fest und mache mir meine Gedanken, die nicht unbedingt gefallen müssen. Anregend sollen sie sein.
Die meisten Balinesen begegnen mir freundlich, ich grüße und werde gegrüßt, ein Small Talk, ein Lächeln. Indonesisch zu sprechen ist von Vorteil, und kommt an. Die meisten Touristen, besonders Japaner und Australier, laufen in einer Aura der Unnahbarkeit durch die Straßen. Ist das Unsicherheit?

Der Kaffee ist ausgetrunken. Ich schlendere die Einkaufsmeile der Monkey Forest Road und schaue nach, was die Affen machen. Ob sie bereits übergewichtig sind? Übergewichtige Balinesen gibt es mittlerweile genug. Das macht der Wohlstand. Batur-Trekking lese ich soeben: Sale - fünfzig Prozent. Kultureller Wandel lässt sich in Ubud gut studieren. Demnächst schaue ich mir an, was aus den Tänzen und dem Handwerk geworden ist. Der Kunst im Allgemeinen. Wegen meiner langen Haare hält man mich für einen Künstler. Mal sehen, ob ich in diese Rolle schlüpfen kann. Die kleinen Läden und Werkstätten, in denen gearbeitet wird, gibt es in Ubud und Umgebung wahrscheinlich gar nicht mehr. Mit dem individuellen Transport ist es schwierig, das habe ich richtig eingeschätzt. Taxen wohin mein Auge sieht. Es gibt keine Bemos mehr. Das hatte ich nicht erwartet. Mein Plan, mich mit dem Bemo durch Bali zu bewegen, wie einst normal, ist Makulatur. Ich hoffe, es hat inzwischen ethno-soziologische Studie über diesen Beruf gegeben. Die vielen SUV, die japanischen Toyotas, Motorräder und Mopeds haben nicht nur dem Bemo die Luft zum Atmen genommen. Sie waren nicht mehr konkurrenzfähig, sagt man mir. Nun hat Ubud seinen Individualverkehr, der noch dramatischer ist, als in Berlin, da die ländliche Infrastruktur und die schmalen Straßen in den Dörfern völlig unzureichend sind. Mit den Touristen sind die Fahrzeuge gekommen, der erforderliche Straßenausbau wurde vernachlässigt. Feinstaub und Luftverschmutzung inklusive. Klimaschutz spielt noch keine Rolle. Man schützt sich galant mit einem modisch gestylten OP-Mundschutz.
Colin McPhee machte sich in seinem Buch Ein Haus auf Bali bereits in den 1930er Jahren Sorgen um Balis Zukunft. Gegenwärtig lebten die Bewohner der Insel noch in einer trügerischen Freiheit, doch waren sie schon lange im Netz gefangen, das nun langsam eingezogen wurde, und ihr Schicksal war das Schicksal der östlichen Welt. Sieben Stunden Zeitunterschied. In Deutschland geht man schlafen, wenn ich aufstehe.

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