Sonntag, 5. Februar 2017

Kein Vergleich


Ich habe den Eindruck, dass es seit Weihnachten in Ubud immer voller wird. Vor allem Australier und Japaner, dazwischen auffällig viele Russen und Chinesen. In Sanur fühlen sich die Härtetypen wohl: dicke, fette Männer, natürlich Aussies, mehr breit als hoch, kurze Hose mit ausgeleiertem T-Shirt, krass tätowiert, in jeder Hand eine Bierdose. Keine Ausnahme, ich habe so viele von ihnen gesehen, dass sie mir aufgefallen sind. Ich muss sie einfach erwähnen, denn sie bilden den Gegensatz all dessen, was Bali für mich ist.

Ich genieße das Klima. Von Beginn gibt es keine Schwierigkeiten mit der Temperatur und der hohen Luftfeuchtigkeit. Mein Körper erinnert sich an die vielen Jahre in den Tropen und hat sich sofort umgestellt. Mit Schwung aus dem deutschen Winter in den Tropenmodus. Ich bin ich voll akklimatisiert. In den beiden letzten Tage hat es viel geregnet, aber in meinen Aktivitäten hat mich das nicht behindert. Es ist schon sehr feucht. Alles ist klamm und meine Nase liegt mittlerweile im Clinch mit der Sonne, denn ihre Strahlen dringen durch die Wolken. Auf meiner stundenlangen Wanderung durch Sanur habe ich nicht daran gedacht, dass salzige Meeresluft und hohe UV-Strahlung am Wasser tückisch sind. Und nun ist die Nase glänzend rot. Aber dafür ist der Himmel heute wieder blau. Ich werde meine Nase zuhause lassen müssen. Ich gehe immer noch den ganzen Tag spazieren. Wandern kann man das nicht wirklich nennen. Ich schaue mich um, sauge auf, was es zu sehen gibt, frage mich durch, raste in Cafés oder in einem Imbiss, die in ganz Indonesien Warung heißen. Das pan-indonesische Schnellrestaurant ist vielgestaltig. Ein Grill am Straßenrand, auf dem die kleinen Fleischspieße rösten und verführerisch duften, und eine hockende Frau, die mit einem Fächer Luft auf die Holzkohle wirbelt. Es gibt zweirädrige Karren, über denen ein Zeltdach vor der Sonne schützt, mit einer Sitzbank, einer portablen Küche und mit allen möglichen Zutaten. Der Warung kann auch ein Zweirad sein, oft motorisiert, in dessen Aufbau eine Suppe zubereitet wird, mit der man sich dann an den Straßenrand kauert, isst, und anschließend das Geschirr zurückbringt. Und dann die Steinhäuser an den Landstraßen, ein Schnellimbiss mit Tischen und Stühlen, im amerikanischen Stil und chinesischen Besitzern, oft mit einer Außenterrasse vor dem Haus. Selten umgibt das Haus ein Garten, wo der Gast an einem Teich unter üppiger, blühender Vegetation essen kann, mit einem Göttersitz in der nördöstlichen Ecke, bergwärts, zu den Göttern auf dem Gunung Agung. Dazwischen findet man in Bali alle denkbaren Variationen.

Nachmittägliche Rush Hour in Ubud / Campuan

Das Verkehrschaos in Ubud übertrifft das in Berlin im Hauptberufsverkehr bei weitem. Proportional betrachtet selbstverständlich. Vielleicht auch nur ein Gefühl, denn in den schmalen Wegen und kaum zweispurigen Straßen fahren die Autos und Scooter dicht gedrängt. Ich bin noch nicht soweit, mich mit einem Fahrrad in das Gewimmel zu wagen. Fahrräder habe ich bisher nur das eine oder andere gesehen. Auf der Rückfahrt von Sanur, außer mir saßen nur noch drei andere Fahrgäste im Bus, waren die kleinen Ortschaften unterwegs mit Hunderten Mopeds, SUV jeden Typs und großen Reisebussen verstopft, sodass es kaum voranging. Außerhalb der Orte entspannte sich die Situation dann wieder etwas. Vorgestern wollte ich mir eine klassische Tanz-Vorstellung ansehen. Legong Telek, Pendet und Baris standen auf dem Programm. Alles war vorbereitet, das Gamelanorchester am Start und die Tänzerinnen kostümiert. Nur: Ich war das ganze Publikum. Es gab keine Aufführung, denn erst ab sechs Zuschauern reicht der Eintritt von 480.000 IDR pro Zuschauer für die Gage des Ensembles. Einerseits Masse, andererseits Stillstand. Wer verdient in Bali eigentlich am Tourismus? Essen und Trinken, Übernachtung und Konsum, das geht immer. Und das Eigen-Kulturelle, was wird daraus? Was Bali war, und noch so gerade ist, findet sich in den Lücken des kulturellen Wandels. Es gibt viele andere Beispiele. Ich bin ein Mit-Urlauber im so genannten Paradies geworden, das nie wirklich eines war. Lediglich in den Sehnsüchten, Fantasien und Projektionen zivilisationsmüder Westler. Mal sehen, was aus mir noch wird?

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