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Sonntag, 29. Januar 2017

Tempel, Reis und Rituale


Ich wollte eigentlich schon gestern nach Tegallalang, doch die Bank hat mich zu lange aufgehalten. Anschließend war ich zu träge, um so spät noch aufzubrechen. Von Tag zu Tag wird es heißer und schwüler, Seit drei Tagen hat es nicht mehr geregnet. Ich weiß nicht mehr, wo ich die ganze Flüssigkeit zum Schwitzen hernehme. Ich bezweifele, dass ich so viel getrunken habe. Als ich am späten Nachmittag mein Fahrrad abgebe, sehen Hemd und Hose aus, als hätte man mich mit Wasser begossen.

Von den terrassierten Reisfeldern in Tegallalang heißt es, sie lohnen einen Besuch. Und das Dorf Petulu, mit der Kolonie der weißen Reiherkolonie, liegt am Weg. An der Kreuzung im Süden Ubuds, dort wo es nach Peliatan geht, nehme ich die ansteigende Straße in Richtung Kintamani. So heiß, wie es bereits morgens ist, fällt es mir schwer, mich für eine Bergfahrt zu begeistern. Schon nach dem Frühstück bin ich nass geschwitzt. Doch ich will nicht abreisen, ohne die viel gerühmten Reisterrassen von Tegallalang wiedergesehen zu haben. Trotz allem habe ich Lust aufs Fahrradfahren. Die Steigungen im Süden, vom Meer aus, sind moderat. Immer wieder werden sie von längeren Etappen ohne Steigung unterbrochen, nördlich von Ubud, in die Berge, fehlen diese Atempausen, in denen das Rad von selbst rollt. Wer sich mit dem Schwitzen abfindet, braucht keine besondere Kondition um nach Mas, zur Goa Gajah oder nach Sukawati zu fahren, nach Tegallalang oder weiter nach Tampaksiring sieht das schon anders aus. Ich habe Ubud kaum hinter mir gelassen, als mir das Hemd schon wieder am Rücken klebt.

Sonntag, 22. Januar 2017

Im Schatten des Gunung Lesung


Ich sitze auf dem Balkon und frühstücke, und schaue hinüber zum Gunung Batukaru. Dessen Gipfel ist auch heute wolkenverhangen. Seit ich in Munduk bin, wandern am frühen Nachmittag dunkelgraue und schwarze Regenwolken auf die fünf Gipfel zu, die meinen Blick in alle Richtungen begrenzen. Der Batukaru ist mit 2276 Metern der höchste Berg der Region, ein vor unendlich langen Zeiten erloschener Vulkan. Noch immer profitierten die Bauern von dem fruchtbaren Boden, den er hinterlassen hat. Die Regenzeit in Munduk unterscheidet sich von den berechenbaren Schauern in Pengosekan. In den Bergen regnet es nicht, es schüttet. Täglich mehrmals hintereinander. Dann treibt Wind die Wolken durchs Tal, und hinauf über die Berge. Plötzlich ist alles in undurchsichtiges Grau gehüllt, ein feiner Nebel aus Milliarden winzigen Wassertröpfchen, ein über die Landschaft gesprühter Dunst. Die Sicht beträgt kaum fünfhundert Meter. Dahinter verschwindet alles in den durchziehenden Wolken.
Gestern habe ich den ganzen Tag vertrödelt. Nachmittags sorgte der Regen dafür, dass ich nichts mehr unternehmen wollte. Zimmerarrest!

Samstag, 21. Januar 2017

Agama Tirtha


Ich genieße die Ruhe und entspannte Gelassenheit in Munduk. Die Atmosphäre bildet einen wohltuenden Kontrast. Die Natur hat sich durchgesetzt, und die Urbanität der letzten Wochen auf die Plätze verwiesen. Die hektischen Wochen im Süden verlieren sich in der Erinnerung. Ich vertrödele den Vormittag. Die Tage, die Stunden und die genaue Uhrzeit sind bedeutungslos geworden. Eine ganze Woche hat es die Regenzeit gut mit mir gemeint: es hat kein einziges Mal geregnet. Noch beim Frühstück sieht es nach dem nächsten trockenen Tag aus. Nun regnet es seit zwei Stunden. Mein Spaziergang, den ich heute morgen geplant habe, fließt gerade den Weg hinunter. Zwei Stunden starker Regen hat die Straße vor Edy’s Homestay in einen schnell abwärts strömenden Bach verwandelt. Alles um mich herum ist in einen grauen Schleier aus Wasser gehüllt. Es gießt in Strömen, es plätschert und platscht, es trommelt auf die Wellblechdächer, das Wasser klatscht auf den Boden und in die Pfützen, es tropft und tröpfelt von den Dächern, von den Blättern, es rauscht leise und schwillt an wie ein zorniges Grollen. Schon geht der nächste Schauer nieder. Über den Himmel ziehen dicke, dunkelgraue Wolkenpakete, die das Licht dimmen. Hinter den Berggipfeln verschwinden sie nach Irgendwo. Niemand ist draußen, und die Geräusche der täglichen Aktivitäten sind im Regen ertrunken. Während ich noch schreibe, fahren die ersten Autos schon wieder hupend den Weg hinunter der eben noch ein Bach war. Es regnet weiter, weniger heftig. Der Regen rauscht wie ein Fluss, der über eine Stromschnelle stürzt, aber die Wassermassen, die die Wolken eben auf die Erde schütteten, mäßigen sich inzwischen. Der Himmel ist noch immer dunkelgrau und die Wolken tragen schwer. Es wird noch weiter regnen. Ich bin in unablässigem Strömen gefangen. Alles ist Wasser, und das Wasser macht Bali.

Donnerstag, 19. Januar 2017

Ein Sitz für Geister


Ich gewöhne mir an, am frühen Nachmittag, zwischen 14 und 15 Uhr, zurück im Homestay zu sein. Wenn der Tag nicht gleich mit Regen beginnt. Den Rhythmus meiner letzten Tage in Munduk bestimmt das Wetter, das in der vergangenen Woche höchst zuverlässig seine täglichen Wassermengen in den Bergen abgeladen hat. Meine Wanderungen im Bergwald werden dadurch zu einem Glücksspiel mit dem Monsun. Ich bin nicht daran interessiert, und halte es auch nicht für abenteuerlich, von einem heftigen Tropenregen am Hang im Wald überrascht zu werden, wenn sich der Weg in einen abwärts stürzenden Fluss verwandelt, der allerlei mit sich führt. Meistens eine gute Entscheidung, denn die Nachmittagsstunden gehören in Munduk der Regenzeit.
An einem halben Tag mache ich keine weiten Wanderungen, allenfalls einen Spaziergang. Viel Neues oder Interessantes ist mir auf diesen kleinen Ausflügen nicht mehr begegnet, aber es sind die Kleinigkeiten und Alltäglichkeiten, die ich spannend finde. Das von Bergen (Gunung Batukaru, 2276 m; Gunung Sangayang, 2093 m;  Gunung Tapak, 1905; Gunung Lesung, 1860 m) eingeschlossene Tal, in dem Munduk liegt, bietet dem Fußgänger, dessen Reichweite begrenzt ist, keine große Abwechselung. Die Wege führen in kurzen Distanzen auf und ab, bieten dafür aber spektakuläre Ausblicke in das Tal, auf einsame Gehöfte, die versteckt im Bergwald liegen, auf kleine Siedlungen, die sich an den Hängen entlang ziehen, und die mehrere Gehöfte zusammenfassen; auf 
im abschüssigen Gelände terrassenförmig angelegte Sawahs, zwischen denen Kokospalmen, Papayabäume und Bananenstauden wachsen.

Sonntag, 15. Januar 2017

Pura, Strand und Meer


Ich sehe am Strand in Pemuteran ein paar Jugendlichen zu, die Fußball spielen. Das Spielfeld ist uneben und leicht abschüssig, und am Spielfeldrand klatschen die Wellen auf den Sand. Manchmal nehmen sie den gelben Ball auch ein Stück mit zu sich ins Meer. Einer der Spieler läuft dann ins seichte Wasser, dehnt das Spielfeld etwas aus und kickt den Ball zurück auf den Strand, wo ihn ein anderer annimmt und weiterspielt. Ihr Spielfeld ist an keiner Seite begrenzt, und ich verstehe auch die Regeln nicht, nach denen gespielt wird. Für die Kids ist das Spiel ein großer Spaß. Um nichts Anderes geht es ihnen.
Auch meine Reise in Bali ist ein Spiel, ähnlich wie das der Jungen am Strand. Ich wechsele die Orte, wie sich ihr Spielfeld verändert, was geschieht, weiß ich erst, wenn es eintritt. Auch mein Spielfeld ist flexibel. Mir geht es um den Augenblick des Erlebens. Wohin der Fußball rollt, wohin es mich treibt, entscheidet die Freude am Spiel.

Freitag, 13. Januar 2017

Der steinerne Kosmos


Ich begegne zahlreichen, festlich gekleideten Männern und Frauen auf den Stufen der Treppe, die unter einem Torbogen enden, der einem Kala Boma darstellt. Durch das Maul eines Dämons betrete ich die Pura Melanting. Schon als ich die Stichstraße zum großen Parkplatz vor dem Tempel hinauffahre, kommen mir Autos und Mopeds entgegen oder überholen mich, eindeutig von einer Zeremonie kommend oder zu einer unterwegs. Die Kleidung der Fahrer ist festlich und traditionell, wie es sich eine religiöse Zeremonie gehört. Feierlich herausgeputzt sind Kinder, Frauen und Männer. Dass ich mich einem besonderen Ort nähre, darauf weisen auch die unverhältnismäßig vielen Göttersitze und Schreine am Wegesrand hin.
Am Parkplatz geht es geordnet zu. Eine große, rote Tafel sortiert die Fahrzeuge mit zwei oder drei Rädern in die richtige Richtung. Wie immer parke ich mein Fahrrad bei den Mopeds und Motorrädern. Es fühlt sich immer wieder seltsam an, allein unter den PS-stärkeren Geschwistern zu stehen.

Montag, 9. Januar 2017

Ein Tag in Tenganan


Ich sitze in Tenganan auf den Stufen eines Balés und atme die Atmosphäre des Dorfes. Es ist noch früh. Die Morgensonne wirft lange Schatten. Die Dorfstraßen sind fast leer, kaum jemand ist unterwegs. Die Türen der Häuser sind bis auf einen Art Shop, der bereits Textilien im Eingang hängen hat, verschlossen. Ich bin irritiert, denn die Bilder, an die ich von meinem ersten Besuch in Tenganan erinnere, decken sich nicht mit der Wirklichkeit. In meiner Erinnerung hat sich viele Jahre lang ein anderes Dorf als Tenganan ausgegeben. Jetzt bringe ich Fotos mit nach Hause, damit Tenganan Tenganan bleibt.
Neben mir sitzt ein Mann im Schatten des Balés, an dessen Sockel ein knappes Dutzend Hähne in großen Bienenkorbkörben stehen. Der Mann trägt ein blau kariertes, langärmeliges Hemd, einen blaugemusterten Sarong, und hat langes, dicht gekräuseltes Haar. Afro-Look! So entspannt im Schatten, im Halbdunkel des Balés sitzend, erinnert er mich an einen braungebrannten Hippie der frühen 1970er Jahre, wie es in Südostasien damals viele gab. Eine Zeitlang sitzen wir schweigend, Blicke austauschend, keine zwei Meter von einander entfernt. Anscheinend fragen wir uns, ob ein Gespräch die kontemplative Stimmung nicht zerstört. So bleiben wir in uns gekehrt, bis sich ein weiterer Mann sich zu uns gesellt.
„Gefallen Dir die Hähne?“ fragt er mich nach einem kurzen Gruß.

Freitag, 6. Januar 2017

Sanghyang Widi Wasa


Ich frühstücke westlich, im Kopi On Bisma in Ubud. Der Name ist balinesisch. Die tropischen Früchten im Müsli auch. Ein Detox-Shot und ein Cappuccino runden mein Frühstück ab. Ich glaube nicht, dass es noch besser geht. Aber dafür steht Ubud, das selbsternannte gastrokulturelle Zentrum Balis. Das Café ist bis auf den letzten Platz besetzt.
Ich sitze auf der überdachten Terrasse, während im Hintergrund die Milch für den nächsten Cappuccino aufgeschäumt wird. Ich schaue dem morgendlichen Treiben auf der Jalan Bisma zu:
Mopeds und große SUV drängeln sich auf der engen Straße zwischen die Fußgänger. Eigentlich ist es keine richtige Straße, eher ein Weg. Schülerinnen in Festkleidung, weiße Bluse und oranger Sarong, um die Taille einen roten Schal gebunden, Spärlicher gekleidete To
uristen mischen sich unter sie. Junge Frauen in kurzer Hose, in Minirock und enganliegendem Top. Nichts verbergend, was Fantasie und Erfahrung nicht dekodieren können. Die kurzen Hosen der Männer enden über dem Knie. Gekleidet wie große Jungen, die wenig von Etikette und höflichem Benehmen wissen. Keiner von ihnen ist so gekleidet, wie Balinesen als angemessen empfinden. Nur die meisten der älteren Touristen zeigen weniger Haut. Es ist eine eigentümliche Melange brauner, rotbrauner und weißroter Menschen, die heute Morgen am Kopi On Bisma entlang flaniert.
Ich bin zurück in Ubud. Der Monsun hat in den letzten Tagen noch einmal heftig Fahrt aufgenommen. Muss er sich kurz vor Ende der Regenzeit noch einmal beweisen? Es regnet jetzt jeden Tag, meistens mehrmals. Der erste starke Schauer geht am frühen Nachmittag nieder und verwandelt die Straßen und Wege vorübergehend in kleine Bäche. Ein zweiter Schauer folgt dann sehr schnell dem ersten, der dritte später in der Nacht. Aber es gibt auch Tage, an denen der Regengott einen kräftigen Schauer am späten Nachmittag für ausreichend hält. In diesem Jahr ist nicht der Januar, sondern der Februar der regenreichste Monat.