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Donnerstag, 26. Januar 2017

Ubud - der letzte Blog


Ich bewege mich inzwischen auf dem schmalen Grad zwischen Tradition und Moderne. In Ubud, und es sieht so aus als betrifft dies den ganzen Süden Balis, ist das Pendel des kulturellen Wandel heftig in Richtung westliche Moderne ausgeschlagen. Die Tradition muss sich bemühen, Schritt zu halten, damit sie nicht mit der älteren Generation ausstirbt. Ich wohne in Pengosekan, drei Kilometer vom Zentrum von Ubud entfernt, wo es noch einigermaßen ruhig ist. Ubud selbst ist zu einem uniformen Zentrum des Tourismus verkommen, wie es sie weltweit gibt, ohne dass sich noch ein Ort vom anderen unterscheidet. Uniform und globalisiert, kulturell nivelliert. Wer aus Europa nach Ubud kommt, kann sich den Weg sparen. Es ist einfacher, schneller und preiswerter nach Mallorca zu fliegen. Der letzte Rest authentischer, balinesischer Kultur, der geblieben ist, findet nicht mehr in der Öffentlichkeit statt. Was zu sehen, zu spüren, zu erleben, zu schmecken, riechen und zu hören ist, ist weiter nichts, als eine aufgehübschte Fassade für den zahlenden Gast.

Sonntag, 22. Januar 2017

Im Schatten des Gunung Lesung


Ich sitze auf dem Balkon und frühstücke, und schaue hinüber zum Gunung Batukaru. Dessen Gipfel ist auch heute wolkenverhangen. Seit ich in Munduk bin, wandern am frühen Nachmittag dunkelgraue und schwarze Regenwolken auf die fünf Gipfel zu, die meinen Blick in alle Richtungen begrenzen. Der Batukaru ist mit 2276 Metern der höchste Berg der Region, ein vor unendlich langen Zeiten erloschener Vulkan. Noch immer profitierten die Bauern von dem fruchtbaren Boden, den er hinterlassen hat. Die Regenzeit in Munduk unterscheidet sich von den berechenbaren Schauern in Pengosekan. In den Bergen regnet es nicht, es schüttet. Täglich mehrmals hintereinander. Dann treibt Wind die Wolken durchs Tal, und hinauf über die Berge. Plötzlich ist alles in undurchsichtiges Grau gehüllt, ein feiner Nebel aus Milliarden winzigen Wassertröpfchen, ein über die Landschaft gesprühter Dunst. Die Sicht beträgt kaum fünfhundert Meter. Dahinter verschwindet alles in den durchziehenden Wolken.
Gestern habe ich den ganzen Tag vertrödelt. Nachmittags sorgte der Regen dafür, dass ich nichts mehr unternehmen wollte. Zimmerarrest!

Freitag, 20. Januar 2017

Allgegenwärtig Banten


Ich verabschiede mich von Munduk, und der Himmel weint, weil ich schon gehe. Gute, ereignisreiche Tage gehen im Regen zu Ende.
Eine Reise ist in Bali immer ein Anlass, eines der Opfer darzubringen, die in Bali, wegen ihrer Vielzahl und Variationsbreite, allgegenwärtig sind. Wer ein solches Opfer deponiert, ob bei der Abreise, oder für die sichere Rückkehr, hofft, negative Einflüsse und Gefahren, all die potentiellen Zufälligkeiten auf einer Reise, die man als das Wirken dämonischer, böswilliger oder launischer Kräfte auffasst, abzuwehren oder zumindest zu neutralisieren. Sind solche Ereignisse bereits eingetreten, versucht man sie durch ein Opfer an die Verursacher wieder zu bereinigen. Ob heute für mich jemand ein Opfer darbringt? Sicher opfert meine Gastgeberin für ihren Mann, der mich an die Küste bringt, für seine sichere Hin- und Rückreise. Ihr Schutz schließt mich hoffentlich mit ein.

Für Balinesen ist der Ausgleich zwischen positiven und negativen Kräften existenziell. Der stetige Kampf, wie im Barong-Rangda-Maskentanz, muss ausgewogen sein. Allerdings definiert die balinesische Weltanschauung gut und böse nicht absolut, sondern relativ. Das eine beinhaltet auch das andere: das Gute kann nicht ohne das Böse existieren und umgekehrt. Dieses Gleichgewicht, dem auch Gottheiten und Dämonen unterworfen sind, ist unauflösbar in allem vorhanden, sodass selbst sie durch diese Ambivalenz geprägt sind.
Die Aufgabe der täglich an den entsprechenden Stellen deponierten Opferkörbchen, banten genannt, sorgen für diese Harmonie der sichtbaren (sekala) und der unsichtbaren Welt (niskala).
Die Balinesen teilen sich ihre Welt mit drei nicht-menschlichen und nicht-sichtbaren Mächten, die ihr Leben positiv oder negativ beeinflussen: den verehrten und helfenden Göttern (betara / betari) und Ahnen (pitra) sowie den böswilligen, Schaden verursachenden Dämonen (butakala) oder Hexen (leyak). Die Butakala, so glaubt man, sind das Gefolge der Götter, die deren Strafen ausführen, wenn Menschen sich unangemessen oder nicht regelkonform verhalten. Leyaks, die den Menschen willkürlich schaden, bilden das Gefolge der Rangda, wie in Mythologie, Volksglauben und im Barong-Maskentanz thematisiert.

Donnerstag, 19. Januar 2017

Ein Sitz für Geister


Ich gewöhne mir an, am frühen Nachmittag, zwischen 14 und 15 Uhr, zurück im Homestay zu sein. Wenn der Tag nicht gleich mit Regen beginnt. Den Rhythmus meiner letzten Tage in Munduk bestimmt das Wetter, das in der vergangenen Woche höchst zuverlässig seine täglichen Wassermengen in den Bergen abgeladen hat. Meine Wanderungen im Bergwald werden dadurch zu einem Glücksspiel mit dem Monsun. Ich bin nicht daran interessiert, und halte es auch nicht für abenteuerlich, von einem heftigen Tropenregen am Hang im Wald überrascht zu werden, wenn sich der Weg in einen abwärts stürzenden Fluss verwandelt, der allerlei mit sich führt. Meistens eine gute Entscheidung, denn die Nachmittagsstunden gehören in Munduk der Regenzeit.
An einem halben Tag mache ich keine weiten Wanderungen, allenfalls einen Spaziergang. Viel Neues oder Interessantes ist mir auf diesen kleinen Ausflügen nicht mehr begegnet, aber es sind die Kleinigkeiten und Alltäglichkeiten, die ich spannend finde. Das von Bergen (Gunung Batukaru, 2276 m; Gunung Sangayang, 2093 m;  Gunung Tapak, 1905; Gunung Lesung, 1860 m) eingeschlossene Tal, in dem Munduk liegt, bietet dem Fußgänger, dessen Reichweite begrenzt ist, keine große Abwechselung. Die Wege führen in kurzen Distanzen auf und ab, bieten dafür aber spektakuläre Ausblicke in das Tal, auf einsame Gehöfte, die versteckt im Bergwald liegen, auf kleine Siedlungen, die sich an den Hängen entlang ziehen, und die mehrere Gehöfte zusammenfassen; auf 
im abschüssigen Gelände terrassenförmig angelegte Sawahs, zwischen denen Kokospalmen, Papayabäume und Bananenstauden wachsen.

Mittwoch, 18. Januar 2017

Lovina Revisited


Ich kehre zurück nach Lovina. Nach Nordbali. An die Küste des Laut Bali, der Bali See. Ich erinnere mich daran, bereits einmal hier gewesen zu sein. Aber ich erkenne nichts mehr wieder. Der Ort heißt Kalibukbuk, ein touristisches Zentrum besonderer Art. Verglichen mit dem elaborierten Ubud kommen mir die Gassen und Häuser, die von der breiten, stark frequentierten Durchfahrtsstraße meerwärts abzweigen, natürlicher vor, bescheidener, eben indonesischer. So war Ubud einst auch. Ich besitze Fotografien und kann es daher beurteilen. Aber der Norden ist auch nicht Südbali, denke ich. Das Bali der Nordküste besitzt nicht den bezaubernden Charme, nicht die inspirierende Lebendigkeit und die Fantasien weckende Atmosphäre. Mein erster Kontakt mit dem Süden Balis erschien mir damals völlig irreal. Das intensive Grün der Landschaft, die Farbigkeit der Menschen, die Feuchtigkeit, die fühlbar auf der Haut lag, und die Hitze, die sie trocknete. Ohne es zu bemerken, war in einem Augenblick den Tropen verfallen. Ich fühlte mich in eine Landschaft versetzt, die ich in einem exotischen Film vermute hätte, nicht in der Wirklichkeit. Doch ich war von der Leinwand herabgestiegen und befand mich mitten in einem Traum. Meine zweite Erkenntnis bestand in einer äußerst sensorischen Erfahrung: visuell und gustatorisch. Bali ist bunt, scharf und süß.

Dienstag, 17. Januar 2017

Strandhandel


Ich sitze am Strand, und bewundere den Sonnenuntergang. Der ist berühmt in Lovina, heißt es. Anscheinend nicht in der Regenzeit. Über mir ragt eine gebogene Säule auf, die sich als ein gekrönter Delfin entpuppt, der auf seiner Schwanzflosse steht. Um in herum versammeln sich mehrere kleine, tanzende Delfine. Lovina ist auch berühmt für seine Ausflüge aufs Meer, zu den richtigen Delfinen. Dann stehen Touristen in den Booten, und die Delfine tanzen im Wasser um sie herum. An der Delfinsäule am Strand trifft sich abends die Jugend von Kalibukbuk. Vereinzelte Touristen spazieren zwischen ihnen umher.
Unter tropischer Sonne schmelzen die Tage dahin; Lovina ist fast vorbei, und ich will weiter. Nach Pemuteran. Ein anderes Strandressort: Nachhaltiger Tourismus. Ich bin gespannt.
Ich esse im Restaurant zu Abend. Wieder der einzige Gast, wie so oft. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, in einem anderen Restaurant, spielt eine Band, und alles strömt dorthin. Ein gelungener Abend, für den Besitzer. Western Pop spielen die Jungs. Ganz anständig. Cover-Versionen.

Montag, 16. Januar 2017

Global Village Kafé


Ich trinke einen fast italienischen Cappucino, wie man ihn mittlerweile in Bali bekommen kann. Die Welt ist ein Dorf, und Kaffee trinkt man überall. Aber nicht immer so gut und perfekt zubereitet, und auch nicht in einer solch außergewöhnlichen Atmosphäre wie im Global Village Kafé in Kalibukbuk.

Es gibt viele Cafés, Restaurants und Bars in Kalibukbuk, doch nur das Global Village Kafé vertritt öffentlich humanistische Werte, hat einen sozialpolitischen Anspruch. In diesem Kafé wird fair gehandelt und der Gast als Finanzier in soziale, medizinische und bildungspolitische Projekte im dörflichen Bali eingebunden. Damit der Gast sofort begreift, welche Welt er betritt, verkündet ihm im Eingangsbereich eine Tafel die multikulturelle Orientierung des Global Village Kafé. Das ALL-Manifest lautet: All Cultures. All Colours. All Ages. All Sizes. All Sexes. All Abilities. All Religions. All Creeds. All Beliefs. All People.

Sonntag, 15. Januar 2017

Pura, Strand und Meer


Ich sehe am Strand in Pemuteran ein paar Jugendlichen zu, die Fußball spielen. Das Spielfeld ist uneben und leicht abschüssig, und am Spielfeldrand klatschen die Wellen auf den Sand. Manchmal nehmen sie den gelben Ball auch ein Stück mit zu sich ins Meer. Einer der Spieler läuft dann ins seichte Wasser, dehnt das Spielfeld etwas aus und kickt den Ball zurück auf den Strand, wo ihn ein anderer annimmt und weiterspielt. Ihr Spielfeld ist an keiner Seite begrenzt, und ich verstehe auch die Regeln nicht, nach denen gespielt wird. Für die Kids ist das Spiel ein großer Spaß. Um nichts Anderes geht es ihnen.
Auch meine Reise in Bali ist ein Spiel, ähnlich wie das der Jungen am Strand. Ich wechsele die Orte, wie sich ihr Spielfeld verändert, was geschieht, weiß ich erst, wenn es eintritt. Auch mein Spielfeld ist flexibel. Mir geht es um den Augenblick des Erlebens. Wohin der Fußball rollt, wohin es mich treibt, entscheidet die Freude am Spiel.

Samstag, 14. Januar 2017

Wie alles anfing


Wie hat alles angefangen? Mit mir und Bali, mit Bali und dem Westen? Während ich in Wayans rotem Minibus, unterwegs nach Singaraja bin, erinnere ich mich an den jungen Mann, der mich in der Pura Melanting so offen heraus und berechtigt fragte, als ich ganz allein zwischen den betenden Balinesen im Innenhof der Pura stehe: „What are you doing here?“.
Die Frage, wie auf Bali alles anfing, erfordert eine doppelte Antwort: eine individuelle, die mich allein betrifft, und eine kollektive, meine ganze Kultur betreffende. Und dann versteckt sich in dieser Frage eine weitere, nämlich die nach den Auswirkungen dieses Kontakts zwischen zwei Kulturen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Ich denke an meine erste Reise nach Bali zurück, an die Wochen, in denen ich von der Fremdheit dieser Kultur so fasziniert war, dass ich mich in einem Film gefühlt habe, in dem ich Statist war. Irgendetwas zog mich durch diese Kultur, ich war sprachlos, ein bewusst Handelnder sicher nicht. Dazu war um mich herum alles zu fremd. Verstörender konnte ein Ort nicht sein. Der erste Eindruck verdichtete sich zu Gefühlen und Empfindungen. Konkrete Erinnerungen an Menschen, Ereignisse und Erlebnisse sind mir nicht geblieben. Wenn ich an diese Wochen zurückdenke, schaltet sich vor ein Diaprojektor vor meinem inneren Auge ein. Willkürlich schiebt der Wagen Bilder in den Lichtstrahl des Projektors. Unzusammenhängend und kontextlos, emotional intensiv aufgeladen. Ob es den anderen Touristen auch so ergeht?

Mittwoch, 11. Januar 2017

Tenganan Revisited


Ich schaue der Sonne zu, am Strand von Candidasa, wie sie hinter einem mächtigen Gewölk versinkt, das schwer über den Bergen hängt. Mühsam zwängen sich schmale orange Streifen zwischen die Wolken, da, wo es Lücken gibt. Unaufgeregt rollt der Samudera Indonesia, der Indonesische Ozean, seine Wellen an den Strand. Auslegerboote tanzen, und Kies knirscht unter ihren Kiel. Ununterbrochen bläst der Wind vom Meer gegen das Land. Es ist kühl, nach einem heißen Tag, auf der Grenze von Land und Meer. Die Berge ähneln Silhouetten auf der Leinwand eines Schattenspiels. Die grauschwarzen Wolken darüber erinnern immer mehr an das schmutzig rote Glühen eines zornigen Vulkans. Mit den letzten Strahlen der sinkenden Sonne schweifen meine Gedanken in die Vergangenheit. Ich war vor Jahrzehnten bereits einmal hier, saß wie jetzt auf einer Mauer am Meer im Abendwind. Am nächsten Tag ging ich nach Tenganan, nach Tenganan Pegringsingan, wie der Ort vollständig heißt. In nostalgisch sentimentaler Stimmung entschließe ich mch, die Wanderung zu wiederholen.

Montag, 9. Januar 2017

Ein Tag in Tenganan


Ich sitze in Tenganan auf den Stufen eines Balés und atme die Atmosphäre des Dorfes. Es ist noch früh. Die Morgensonne wirft lange Schatten. Die Dorfstraßen sind fast leer, kaum jemand ist unterwegs. Die Türen der Häuser sind bis auf einen Art Shop, der bereits Textilien im Eingang hängen hat, verschlossen. Ich bin irritiert, denn die Bilder, an die ich von meinem ersten Besuch in Tenganan erinnere, decken sich nicht mit der Wirklichkeit. In meiner Erinnerung hat sich viele Jahre lang ein anderes Dorf als Tenganan ausgegeben. Jetzt bringe ich Fotos mit nach Hause, damit Tenganan Tenganan bleibt.
Neben mir sitzt ein Mann im Schatten des Balés, an dessen Sockel ein knappes Dutzend Hähne in großen Bienenkorbkörben stehen. Der Mann trägt ein blau kariertes, langärmeliges Hemd, einen blaugemusterten Sarong, und hat langes, dicht gekräuseltes Haar. Afro-Look! So entspannt im Schatten, im Halbdunkel des Balés sitzend, erinnert er mich an einen braungebrannten Hippie der frühen 1970er Jahre, wie es in Südostasien damals viele gab. Eine Zeitlang sitzen wir schweigend, Blicke austauschend, keine zwei Meter von einander entfernt. Anscheinend fragen wir uns, ob ein Gespräch die kontemplative Stimmung nicht zerstört. So bleiben wir in uns gekehrt, bis sich ein weiterer Mann sich zu uns gesellt.
„Gefallen Dir die Hähne?“ fragt er mich nach einem kurzen Gruß.

Samstag, 7. Januar 2017

Ein schwarzer Stier


Ich fahre mit dem Rad auf der Monkey Forest Road in nördliche Richtung. Wo ich sonst im endlosen Stau tagsüber kaum durchkomme, ist die Straße unerwartet leer. Kein einziges Auto begegnet mir. Nur das eine oder andere Moped. Schon von weitem höre ich Trommeln und die bronzenen Becken eines Gamelans ihren schnellen, Rhythmus hämmern. An der Kreuzung, wo die Straße mit der Jalan Raya Ubud kreuzt, und in die schmalere Jalan Suweta einbiegt, leuchtet ein bunter Meru durch die Blätter der Bäume. Als ich eintreffe, erreichen die Vorbereitungen für die Prozession zur Pura Dalem Peliatan ihren Höhepunkt.
Der Cokorda von Ubud, Nachkomme eines berühmten balinesischen Adelsgeschlechts und mit einer Niederländerin verheiratet, ist gestorben. Heute Nachmittag, das haben die Priester durch die Befragung ihres Mondkalenders herausgefunden, ist der günstigste Tag für seine Verbrennung (ngaben). Cokorda ist ein Titel für einen hochrangigen Fürsten oder Prinzen, doch da herrscht Uneinigkeit. Er gehört der Kaste der Ksatriya an, die im 15. Jahrhundert aus der Gruppe der ersten javanischen Regenten hervorging.

Freitag, 6. Januar 2017

Sanghyang Widi Wasa


Ich frühstücke westlich, im Kopi On Bisma in Ubud. Der Name ist balinesisch. Die tropischen Früchten im Müsli auch. Ein Detox-Shot und ein Cappuccino runden mein Frühstück ab. Ich glaube nicht, dass es noch besser geht. Aber dafür steht Ubud, das selbsternannte gastrokulturelle Zentrum Balis. Das Café ist bis auf den letzten Platz besetzt.
Ich sitze auf der überdachten Terrasse, während im Hintergrund die Milch für den nächsten Cappuccino aufgeschäumt wird. Ich schaue dem morgendlichen Treiben auf der Jalan Bisma zu:
Mopeds und große SUV drängeln sich auf der engen Straße zwischen die Fußgänger. Eigentlich ist es keine richtige Straße, eher ein Weg. Schülerinnen in Festkleidung, weiße Bluse und oranger Sarong, um die Taille einen roten Schal gebunden, Spärlicher gekleidete To
uristen mischen sich unter sie. Junge Frauen in kurzer Hose, in Minirock und enganliegendem Top. Nichts verbergend, was Fantasie und Erfahrung nicht dekodieren können. Die kurzen Hosen der Männer enden über dem Knie. Gekleidet wie große Jungen, die wenig von Etikette und höflichem Benehmen wissen. Keiner von ihnen ist so gekleidet, wie Balinesen als angemessen empfinden. Nur die meisten der älteren Touristen zeigen weniger Haut. Es ist eine eigentümliche Melange brauner, rotbrauner und weißroter Menschen, die heute Morgen am Kopi On Bisma entlang flaniert.
Ich bin zurück in Ubud. Der Monsun hat in den letzten Tagen noch einmal heftig Fahrt aufgenommen. Muss er sich kurz vor Ende der Regenzeit noch einmal beweisen? Es regnet jetzt jeden Tag, meistens mehrmals. Der erste starke Schauer geht am frühen Nachmittag nieder und verwandelt die Straßen und Wege vorübergehend in kleine Bäche. Ein zweiter Schauer folgt dann sehr schnell dem ersten, der dritte später in der Nacht. Aber es gibt auch Tage, an denen der Regengott einen kräftigen Schauer am späten Nachmittag für ausreichend hält. In diesem Jahr ist nicht der Januar, sondern der Februar der regenreichste Monat.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Ganesha - ein Epilog


Ich sehe überall in Bali Ganesha-Statuen in den Hauseingängen, vor den Geschäften und Restaurants, an Kreuzwegen und im Schatten mächtiger Waringinbäume. Die meisten sind reich geschmückt, tragen Blumenketten um den Hals, viele von ihnen sind bunt bemalt, glänzen in ihrem neuen Kleid. In ihrem Schoß und am Sockel ihres Throns häufen sich die Opferkörbchen und steigt betörender Duft zu ihnen hoch. Ganesha fühlt sich wohl und zuhause in Balis wohlhabenden Kreisen, und wäre er nicht aus Stein, er würde vor Fett glänzen. Zufrieden und selbstgefällig präsentiert er seinem wohlgenährten, runden Kugelbauch, den er von den Passanten, die bei ihm vorübergehen, bewundern lässt. Er ist ein Patriarch, ein Beschützer und Wohltäter, der sich seiner Beliebtheit bewusst ist.
Shivas elefantenköpfiger Sohn genießt Prestige und er ist überall in Bali populär, wo sich Touristen niedergelassen haben. Das war vor zwanzig Jahren noch anders. Inzwischen hat er den im Tourismus engagierten Balinesen Reichtum und Glück beschert. Für die meisten Touristen ist Ganesha der einzige Gott des hinduistischen Pantheons, der ihnen aus ihrer Heimat vertraut ist, und den sie in ihrem Urlaub wiederfinden. Mittlerweile hat er sich in ihrem Gefolge in Bali einen festen Platz erobert.
Vielleicht liegt es an seinem Elefantenkopf, seinem sanften Lächeln und seiner friedlichen Ausstrahlung, dass er so beliebt ist. Seinen Elefantenkopf, so erzählt die Mythologie, bekam Ganesha durch ein Missgeschick seines Vaters Shiva, der ihn kurzerhand enthauptete, als dieser ihm den Weg ins Haus seiner Mutter Parvati verwehrte. Als ihm bewusst wurde, dass er sein Sohn war, befahl er einem Diener, ihm den Kopf irgendeines Lebewesens zu bringen, den er auf Ganeshas Rumpf setzte, um ihn ins Leben zurückzubringen. So wurde Ganesha auch Shivas Sohn, von dem er seine vier Arme erbte. Sie repräsentieren Dharma (Pflicht), Arta (Wohlstand), Kama (Liebe) und Moksa (Entrücktheit). In den Händen hält er eine Schriftrolle, die seine Gelehrsamkeit symbolisiert, einen Napf, in den er seinen Rüssel tunkt und Tirtha trinkt, das heilige Wasser, das seine Weisheit erhält, ein Beil, mit dem er die Menschen von den irdischen Banden befreit und eine Peitsche, mit der er das Böse verjagt. Der in Bali charakteristische Ganesha steht, und er heißt auch nicht Ganesha wie im indischen Hinduismus, sondern Ganesa.