Donnerstag, 26. Januar 2017

Ubud - der letzte Blog


Ich bewege mich inzwischen auf dem schmalen Grad zwischen Tradition und Moderne. In Ubud, und es sieht so aus als betrifft dies den ganzen Süden Balis, ist das Pendel des kulturellen Wandel heftig in Richtung westliche Moderne ausgeschlagen. Die Tradition muss sich bemühen, Schritt zu halten, damit sie nicht mit der älteren Generation ausstirbt. Ich wohne in Pengosekan, drei Kilometer vom Zentrum von Ubud entfernt, wo es noch einigermaßen ruhig ist. Ubud selbst ist zu einem uniformen Zentrum des Tourismus verkommen, wie es sie weltweit gibt, ohne dass sich noch ein Ort vom anderen unterscheidet. Uniform und globalisiert, kulturell nivelliert. Wer aus Europa nach Ubud kommt, kann sich den Weg sparen. Es ist einfacher, schneller und preiswerter nach Mallorca zu fliegen. Der letzte Rest authentischer, balinesischer Kultur, der geblieben ist, findet nicht mehr in der Öffentlichkeit statt. Was zu sehen, zu spüren, zu erleben, zu schmecken, riechen und zu hören ist, ist weiter nichts, als eine aufgehübschte Fassade für den zahlenden Gast.

Mein letzter Aufenthalt liegt über zwanzig Jahre zurück. 1992, auf der Rückkehr von Timor nach Deutschland, war ich zuletzt hier. Ich habe Erfahrungen mit Bali, und gute Gelegenheiten den kulturellen Wandel zu beobachten, bin geradezu besonders dazu geeignet, aufzuzählen, was Ubud und Umgebung damals war, und heute nicht mehr ist. Ich bin gewandert, in den letzten Tagen mit dem Fahrrad, bin gut herumgekommen. Ich habe nicht in den geschlossenen, klimatisierten SUV gesessen, mit denen Touristen Bali erkunden, von einer Sehenswürdigkeit, von einem Event zum nächsten. Und ich bin auch nicht mit dem Scooter an allem, was einen Aufenthalt wert gewesen wäre, vorbeigerauscht. Ich habe mir Zeit genommen, keine großen Distanzen bewältigt, und auch keine Sehenswürdigkeiten gesammelt, wie sie der Reiseführer empfiehlt. Ich bin langsam durch die Orte geschlendert, habe Zeit verschwendet, müßig flaniert. Ich habe mich aufgehalten, die Menschen getroffen, gefragt und erzählt. Ich habe vieles gesehen, manches ist mir unerwartet zugefallen.
Die ganze Infrastruktur im Süden Balis wurde umstrukturiert, ganze Häuserzeilen sind verschwunden oder durch neue ersetzt worden. Der Individualverkehr hat sich von Denpasar aus wie eine Krake ausgebreitet, und die Dörfer mit ihren engen Straßen geradezu vergewaltigt. Erst wenn man die kleinen Städte verlässt, den touristischen Zentren den Rücken kehrt, stellt man fest, dass vieles auch beim Alten geblieben ist. Die wunderschöne Landschaft, Flora und Fauna, der Reisanbau, die vielen kleinen, alltäglichen religiösen Rituale und besonders die Freundlichkeit, Gelassenheit und Toleranz der Menschen Balis. Weiter nördlich, im Inneren der Inseln, hoffe ich, wird sich das noch weiter ändern. Und so verlasse ich Ubud am Montag und ziehe mich in die Berge zurück. Meine eigene Vorstellung von Trekking lockt mich ins Gebiet der Inlandseen. Später vielleicht die Nordküste. Mal sehen, was mir begegnet.


Ubud im Wandel

In Ubud wird es von Tag zu Tag voller, besonders Japaner und Australier; dazwischen immer wieder Russen. Es sind kaum Europäer in Ort. Und mir fällt zunehmend auf: die Touristen bleiben für sich. Auch untereinander haben sie kaum Kontakt. Zu den Balinesen nur geschäftlich.
Ganz Ubud ist eine Einkaufs- und Konsummeile geworden. Kudamm en miniature!, würde der Berliner sagen. Ist es das, was der Reisende sucht? Wenn ich das einseitige Treiben betrachte, wünsche ich mir, ich hätte im Zeitalter der wahren Reisenden gelebt.
Besonders getroffen haben mich die Veränderungen an der Pura Sukawati und im Affenwald an der Pura Dalem. Einst exotische, mystische Orte mit der verwunschenen Atmosphäre des Märchens sind sie zu Orten des Rummels, der hektischen Betriebsamkeit und des Konsums geworden. Es war einmal, so leitet sich jede Erzählung von Ubud inzwischen ein. Der große Starbucks-Bau ist Repräsentant dieses Wandels. Wann wird McDonald folgen, wann das gelbe M neben der Pura in den Himmel über Ubud ragen? Wer hätte sich vor zwanzig Jahren Starbucks in Ubud vorstellen können? Ich weiß, ich habe kein Recht traurig zu sein, und doch bin ich es, will es sein, denn kultureller Wandel ohne Bewahrung von kultureller Eigenständigkeit und einem ökologisch sanften Fußabdruck ist ein Verlust all dessen, was wert ist bewahrt zu werden.
Was mir meisten fehlt ist der problemlose Bemo-Transport bis in den letzten Winkel der Insel. Die moderne Alternative sind die Scooter oder der private Chauffeur mit klimatisiertem SUV. Doch er ist nur ein Angestellter, nicht der Besitzer der Lusxusgefährte. Andere haben ihre Limousinen mit einer Bank finanziert, und müssen nun die monatlichen Raten aufbringen. Den Gewinn streichen wie üblich wenige ein. Am Straßenrand in Ubud tobt ein noch höflicher Kampf um den Fahrgast.

"Taxi, Sir!“, ruft es alle hundert Meter.
In der Nachbarschaft von meiner Unterkunft gibt es eine SMK Pariwisata, eine Fachschule für Tourismus. Welche ökologischen Inhalte werden dort vermittelt, welche Konsequenzen und Lösungen diskutiert? Bali – ein Nahraumabenteuer.

Es war einmal: Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, das war die Zeit der Bemos. Man stand an der Straße und schon kurze Zeit später hielt eins der zahlreichen Kleinbusse an, oft nur ein PickUp mit Plane. Wohin, wurde gefragt, und schon ging es weiter. Ein Bemo war ein Kleinbus, in den man gebückt durch die Seitentür einstieg, und sich auf einen der freien Plätze auf eine der Bänke setzte, oder sich zwischen die anderen Fahrgäste quetschte, die entlang der beiden Seiten saßen. Oder auf die Ladefläche hinter der Fahrerkabine. Es gab weder Haltestellen noch feste Fahrpreise; jeder konnte aus- oder einsteigen wann und wo er wollte. Ein kurzes Winken mit der Hand, ein laut gerufenes »Setop!«, schon hielt das Bemo an jeder beliebigen Stelle, da wo es dem Fahrgast gerade passte. Jedes Bemo hatte eine festgelegte Route. Am Streckenende warteten schon andere Bemos, die andere Richtungen bedienten. Ein Netzwerk unkomplizierten und umweltfreundlichen Nahverkehrs überzog die ganze Insel. Einige wenige Bemos sind in Ubud und Umgebung übrig geblieben: sie befördern Güter in den frühen Morgenstunden auf die lokalen Märkte. Bemo-Hopping für mich in Bali, es war einmal. In Sanur habe ich noch ein paar Bemos gesehen, die fast leer, die beiden Enden Hauptstraße im Ort verbanden. In Nordbali, hörte ich, sei das noch immer so. Zwischen Singaraja und Lovina soll es regelmäßig Bemo-Transport geben.

Trotzdem hat Ubud seine Faszination für mich nicht verloren. Irgendetwas liegt in der Luft, in der Landschaft, in den Menschen, das alle diese Veränderungen unwichtig macht. Ich glaube, es ist diese Synthese aus authentisch Balinesischen und integriert Westlichem, dass einzigartig ist, und dass den Besuchern eine Lebensweise suggeriert, die sie nur aus ihren Träumen wiedererkennen. Es gibt es noch, Bali. Schon ein paar Kilometer außerhalb, mehr braucht es nicht. Aber das ist eben mühsam, da es dort kaum noch Westliches gibt, und Englisch nicht mehr verbreitet. In der ersten Woche war ich schon schockiert. Inzwischen finde ich mich zurecht, nutze das touristische, halte mich weitestgehend zurück. Ich genieße es, in den Tropen zu sein, freue mich über meinen Mitbewohner, den Gecko, und die vielen angenehmen Begegnungen mit den Menschen.
Nur eines, finde ich, braucht es doch: einen die wahren Verhältnisse realistisch abbildenden Reiseführer, einen, der nicht idealisiert. Vielleicht gibt es ihn. Diejenigen, die ich kenne, sind es nicht. Eigentlich, denke ich mir, braucht es überhaupt keinen Reiseführer. Unterkünfte lassen sich gut online finden, und die angegebenen Preise sind doch nie aktuell. Alles andere findet sich.

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