Ich fahre mit dem Rad auf der Monkey Forest Road in nördliche Richtung. Wo ich sonst im endlosen Stau tagsüber kaum durchkomme, ist die Straße unerwartet leer. Kein einziges Auto begegnet mir. Nur das eine oder andere Moped. Schon von weitem höre ich Trommeln und die bronzenen Becken eines Gamelans ihren schnellen, Rhythmus hämmern. An der Kreuzung, wo die Straße mit der Jalan Raya Ubud kreuzt, und in die schmalere Jalan Suweta einbiegt, leuchtet ein bunter Meru durch die Blätter der Bäume. Als ich eintreffe, erreichen die Vorbereitungen für die Prozession zur Pura Dalem Peliatan ihren Höhepunkt.
Der Cokorda von Ubud, Nachkomme eines berühmten balinesischen Adelsgeschlechts und mit einer Niederländerin verheiratet, ist gestorben. Heute Nachmittag, das haben die Priester durch die Befragung ihres Mondkalenders herausgefunden, ist der günstigste Tag für seine Verbrennung (ngaben). Cokorda ist ein Titel für einen hochrangigen Fürsten oder Prinzen, doch da herrscht Uneinigkeit. Er gehört der Kaste der Ksatriya an, die im 15. Jahrhundert aus der Gruppe der ersten javanischen Regenten hervorging.
Der Cokorda von Ubud, Nachkomme eines berühmten balinesischen Adelsgeschlechts und mit einer Niederländerin verheiratet, ist gestorben. Heute Nachmittag, das haben die Priester durch die Befragung ihres Mondkalenders herausgefunden, ist der günstigste Tag für seine Verbrennung (ngaben). Cokorda ist ein Titel für einen hochrangigen Fürsten oder Prinzen, doch da herrscht Uneinigkeit. Er gehört der Kaste der Ksatriya an, die im 15. Jahrhundert aus der Gruppe der ersten javanischen Regenten hervorging.
Neben der Mauer seines Palasts, der Puri Saren Agung, im Zentrum von Ubud, finden die Zeremonien statt. Der Leichnam des Cokorda wird aus seinem Palast, wo er aufgebahrt war, in den hohen Turm umgebettet, der zwischen Puri Saren Agung und der Pura Taman Sariswati bis in die Baumwipfel ragt. Den Schnittpunkt der Straßen hat das Gewimmel von Balinesen und Touristen verschluckt, das wie eine dicke Traube das Geschehen umgibt Wie ein aufwändig geschmückter Karnevalswagen steht ein wohl fünfzehn Meter hoher, aus Bambusstangen konstruierter Verbrennungsturm, ein Bade mit neun Dächern, an der Ecke von Jalan Raya Ubud und Jalan Suweta. Entsprechend des sozialen Status des Verstorbenen kann ein solcher Turm, den pagodenartigen Schreinen, den Meru in den Tempeln, nachempfunden, zwischen drei und elf Dächern besitzen. Wie der Führer in der Steuerkabine eines Krans sitzt auf der oberen Plattform des Turms ein weiß gekleideter Priester. Eine steile Treppe reicht von einem LKW bis ganz hinauf auf den Turm. Die Treppe verjüngt sich nach oben, und wird durch ein zusätzliches Gerüst stabilisiert, das auf der Ladefläche des LKW steht. Ein anderer Brahmane, ein schon sehr alter Priester, mit weißem Sarong, Hemd und Kopftuch, vollzieht in einem kleinen Pavillion vor dem Turm die notwendigen Rituale mit geweihtem Wasser, Mudras und dem Läuten einer kleinen Glocke.
Links vom Turm, gegen Westen, steht der gigantische Sarkophag des Verstorbenen, ein mit goldenem Zierrat, Blüten und farbigen Bändern geschmückter, schwarzer Stier mit goldenen Hörnern. Zwischen den Hörner reitet ein weiß gekleideter Mann mit Sonnenbrille. Wie der Bade ist auch der Stier auf der Ladefläche eines LKW montiert. Die Kaste des Verstorbenen bestimmt die Form das Sarkophags. Brahmanen und Angehörige der Fürstenfamilien (ksatriya) werden in einem Stier beigesetzt, dem Lembu, der niedere Adel in einem geflügelten Löwen und die nicht-adeligen Balinesen, die Jaba, in einem Fabelwesen, halb Elefant, halb Fisch, dem Gajah Minea.
Übergangslos wird die lange Treppe, die in die Spitze des Turms hinaufführt, wie eine Gangway zur Seite geschoben. Unter Jubelrufen und rasender Gamelanmusik setzt sich der Turm schwankend in Bewegung. Erstaunt sehe ich, dass er nach Osten in die Jalan Raya Ubud abbiegt, nicht nach Westen, wo der Stier steht, und zur Pura Dalem Ubud. Auf der Rückseite des Turms, in drei Metern Höhe, glotzt eine weiße Kala-Boma-Maske auf die Prozession herab, mit weit aufgerissenem Rachen und gespreizten Krallen. Dem Turm folgt der Stier, dem Stier das ununterbrochen spielende Gamelanorchester. Schließlich strömen die Zuschauer im Sog der Prozession in die Jalan Raya Ubud.
Links vom Turm, gegen Westen, steht der gigantische Sarkophag des Verstorbenen, ein mit goldenem Zierrat, Blüten und farbigen Bändern geschmückter, schwarzer Stier mit goldenen Hörnern. Zwischen den Hörner reitet ein weiß gekleideter Mann mit Sonnenbrille. Wie der Bade ist auch der Stier auf der Ladefläche eines LKW montiert. Die Kaste des Verstorbenen bestimmt die Form das Sarkophags. Brahmanen und Angehörige der Fürstenfamilien (ksatriya) werden in einem Stier beigesetzt, dem Lembu, der niedere Adel in einem geflügelten Löwen und die nicht-adeligen Balinesen, die Jaba, in einem Fabelwesen, halb Elefant, halb Fisch, dem Gajah Minea.
Der Stier-Sarkophag des Cokorda von Ubud |
Ich lasse sie ziehen. Ich bin für dieses feierliche Ereignis nicht angemessen gekleidet. Ich weiß, was folgt. Ich habe Verbrennungen in Gianyar und Bangli gesehen. Es wird ein fürchterliches Gedränge anteilnehmender Balinesen und fotografierender Touristen geben. Die herrlichen Aufbauten, die den Leichnam auf seinen letzten irdischen Weg bringen, werden in Rauch und Feuer aufgehen, und zusammen mit ihm zu Asche verbrennen. Im Feuer des Lembu, denn zu diesem Zweck wurde er geschaffen, befreit sich die Seele des Cokorda aus ihrem Körper. Im Feuer gereinigt wechselt sie die Sphären und begibt sie auf ihre nächste Reise.
Ich sitze mittlerweile im Juice la Café, trinke eine junge Kokosnuss leer, und schaue einem rituell gekleideten Mann zu, der ein Banten an einem Moped austauscht, mit all den notwendigen, Schutz beschwörenden Gesten. Das Opferkörbchen legt er vorne in die Ablage des Mopeds, und entfernt ein altes, bevor er weitergeht. Meine Gedanken kreisen um den Bade und den herrlichen Lembu, um die rituellen Handlungen, die ich aus der Mitte des Gedränges heraus beobachtet, aber nicht wirklich verstanden habe. Ich denke nach, wen ich fragen kann. Was kann ich über die Komplexität des Gesehenen überhaupt erfassen?
Während das Kokoswasser zur Neige geht, löffele ich das weiche, glibberige Fruchtfleisch. Ich erinnere mich, und sammele ein, was ich über das Totenritual, das wichtigste Ritual im Lebenszyklus des Balinesen, noch weiß. Eine Loseblattsammlung, eine Ergänzung meiner Beobachtung an der Puri Saren Agung.
Ein Sohn des Verstorbenen hat die Verpflichtung, die Verbrennung seiner Eltern zu organisieren. Es kommt nicht selten vor, dass kinderlose Ehepaare ein Kind adoptieren, damit der Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt nicht unterbrochen wird. Die Verbrennung, ngaben oder pelebon, befreit die Seele des Verstorbenen aus dem Körper und ermöglicht ihre Reinkarnation. Um die im tropischen Klima schnell einsetzende Verwesung zu verlangsamen, wird er Verstorbene heutzutage in Eisblöcke gebettet. Nicht jeder Tag eignet sich für die Kremation. Es gibt gute oder schlechte Tage für dieses wichtige Ereignis. Der Priester, ein Brahmane, legt fest, wann eine Verbrennung stattfinden kann. Aber der geeignete Tag ist nicht das einzige Hindernis, auch die immensen Kosten, die eine balinesische Feuerbestattung mit sich bringen, schieben den Tag hinaus. Es kommt oft vor, dass der Leichnam beerdigt wird, und in der Erde auf den richtigen Moment wartet. Erst viel später muss er für die Verbrennung wieder ausgegraben werden. Viele Balinesen warten ab, bis eine wohlhabende Familie eine Verbrennung durchführt, an die sie sich anschließen. Die Balinesen nennen das scherzhaft Bus fahren. Gelegentlich finden aus diesem Grund auch Massenverbrennungen statt.
Vom Wohnsitz des Verstorbenen wird dieser im Bade zum Verbrennungsplatz transportiert. Der Verbrennungsturm wird lärmend, im Zickzack, mit zahlreichen Drehungen und durch Schaukeln zum Friedhof in die Nähe einer Pura Dalem gebracht. Der eigenartige Parcour verfolgt den Zweck, dass die Seele des Verstorbenen so verwirrt wird, dass sie nicht mehr in seine Wohnung zurückfindet. Der leere Sarkophag folgt der Prozession. Erst am Verbrennungsplatz wird der Leichnam oder die exhumierten Knochen aus dem Turm genommen, dreimal um den geöffneten Sarkophag getragen bevor die sterblichen Überreste hineingelegt werden. Dann wird der Sarkophag verschlossen. Unter gemurmelten Gebeten besprengt ihn und alle Anwesenden ein Priester mit geweihtem Wasser. Nachdem alle Riten vollzogen sind, verbrennt man Bade und Sarkophag auf einem Scheiterhaufen mit Beigaben wie Geld, Stoffen und Früchten. Mit dem Rauch des Feuers steigt die gereinigte Seele, von ihrer körperlichen Hülle befreit, zum Himmel empor. Ist der Brand erkaltet, werden die Asche- und Knochenreste des Leichnams eingesammelt, gewaschen und zermahlen. In einer Kokosnuss oder in einem weißen Tuch bringt man sie zum Meer oder zu einem Fluss und übergibt sie dem Wasser.
Während das Kokoswasser zur Neige geht, löffele ich das weiche, glibberige Fruchtfleisch. Ich erinnere mich, und sammele ein, was ich über das Totenritual, das wichtigste Ritual im Lebenszyklus des Balinesen, noch weiß. Eine Loseblattsammlung, eine Ergänzung meiner Beobachtung an der Puri Saren Agung.
Ein Sohn des Verstorbenen hat die Verpflichtung, die Verbrennung seiner Eltern zu organisieren. Es kommt nicht selten vor, dass kinderlose Ehepaare ein Kind adoptieren, damit der Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt nicht unterbrochen wird. Die Verbrennung, ngaben oder pelebon, befreit die Seele des Verstorbenen aus dem Körper und ermöglicht ihre Reinkarnation. Um die im tropischen Klima schnell einsetzende Verwesung zu verlangsamen, wird er Verstorbene heutzutage in Eisblöcke gebettet. Nicht jeder Tag eignet sich für die Kremation. Es gibt gute oder schlechte Tage für dieses wichtige Ereignis. Der Priester, ein Brahmane, legt fest, wann eine Verbrennung stattfinden kann. Aber der geeignete Tag ist nicht das einzige Hindernis, auch die immensen Kosten, die eine balinesische Feuerbestattung mit sich bringen, schieben den Tag hinaus. Es kommt oft vor, dass der Leichnam beerdigt wird, und in der Erde auf den richtigen Moment wartet. Erst viel später muss er für die Verbrennung wieder ausgegraben werden. Viele Balinesen warten ab, bis eine wohlhabende Familie eine Verbrennung durchführt, an die sie sich anschließen. Die Balinesen nennen das scherzhaft Bus fahren. Gelegentlich finden aus diesem Grund auch Massenverbrennungen statt.
Vom Wohnsitz des Verstorbenen wird dieser im Bade zum Verbrennungsplatz transportiert. Der Verbrennungsturm wird lärmend, im Zickzack, mit zahlreichen Drehungen und durch Schaukeln zum Friedhof in die Nähe einer Pura Dalem gebracht. Der eigenartige Parcour verfolgt den Zweck, dass die Seele des Verstorbenen so verwirrt wird, dass sie nicht mehr in seine Wohnung zurückfindet. Der leere Sarkophag folgt der Prozession. Erst am Verbrennungsplatz wird der Leichnam oder die exhumierten Knochen aus dem Turm genommen, dreimal um den geöffneten Sarkophag getragen bevor die sterblichen Überreste hineingelegt werden. Dann wird der Sarkophag verschlossen. Unter gemurmelten Gebeten besprengt ihn und alle Anwesenden ein Priester mit geweihtem Wasser. Nachdem alle Riten vollzogen sind, verbrennt man Bade und Sarkophag auf einem Scheiterhaufen mit Beigaben wie Geld, Stoffen und Früchten. Mit dem Rauch des Feuers steigt die gereinigte Seele, von ihrer körperlichen Hülle befreit, zum Himmel empor. Ist der Brand erkaltet, werden die Asche- und Knochenreste des Leichnams eingesammelt, gewaschen und zermahlen. In einer Kokosnuss oder in einem weißen Tuch bringt man sie zum Meer oder zu einem Fluss und übergibt sie dem Wasser.
Der Leichnam des Cokorda von Ubud wird nach der Reinigungszeremonie von Bade und Lembu an der Puri Saren Agung in einer langen Prozession in die Pura Dalem Peliatan gebracht, wo sie verbrannt wird. Eine Kremation wird in Bali immer von Tänzen, Schattenspielen und Gamelan-Musik begleitet. Mobile Imbissstände sorgen für das leibliche Wohl. Ich nutze die Gelegenheit, möglicherweise doch noch ein Schattenspiel zu sehen, fahre in die Pura Dalem Peliatan, und gerate mitten in einen der heftigen Tropenregen, die seit Tagen meine Aktivitäten behindern. Triefend nass komme ich später ins Hotel zurück. Der Platz vor dem Totentempel lag verlassen im Regen, der auf die qualmenden Reste der Verbrennung fiel.
Vieles von dem, was ich in Bali sehe und erlebe, bleibt rätselhaft. Meine Rolle als Tourist räumt mir nur einen sehr schmalen Korridor ein. Der größte Teil von allem ist Erfahrung, leiblich, sinnlich und psychisch spürbar.
Vieles von dem, was ich in Bali sehe und erlebe, bleibt rätselhaft. Meine Rolle als Tourist räumt mir nur einen sehr schmalen Korridor ein. Der größte Teil von allem ist Erfahrung, leiblich, sinnlich und psychisch spürbar.
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