Montag, 16. Januar 2017

Global Village Kafé


Ich trinke einen fast italienischen Cappucino, wie man ihn mittlerweile in Bali bekommen kann. Die Welt ist ein Dorf, und Kaffee trinkt man überall. Aber nicht immer so gut und perfekt zubereitet, und auch nicht in einer solch außergewöhnlichen Atmosphäre wie im Global Village Kafé in Kalibukbuk.

Es gibt viele Cafés, Restaurants und Bars in Kalibukbuk, doch nur das Global Village Kafé vertritt öffentlich humanistische Werte, hat einen sozialpolitischen Anspruch. In diesem Kafé wird fair gehandelt und der Gast als Finanzier in soziale, medizinische und bildungspolitische Projekte im dörflichen Bali eingebunden. Damit der Gast sofort begreift, welche Welt er betritt, verkündet ihm im Eingangsbereich eine Tafel die multikulturelle Orientierung des Global Village Kafé. Das ALL-Manifest lautet: All Cultures. All Colours. All Ages. All Sizes. All Sexes. All Abilities. All Religions. All Creeds. All Beliefs. All People.

Im Global Village Kafé, Kalibukbuk

Unter den Augen der Zeugen dieses Credos, die von Wänden auf die Gäste herabschauen, oder in der Speisekarte vorgestellt werden, trinke ich meinen Kaffee und schaue dem Treiben um mich herum zu. Eine Galerie von bedeutenden Männern hat sich um mich versammelt, unter ihnen nur drei Frauen, Indira Ghandi, Aung San Suu Kyi und die pakistanische Frauenrechtlerin und jüngste Friedensnobelpreisträger aller Zeiten, Malala, die ihre Erfahrungen in ihrer Autobiographie schildert: I Am Malala: The Girl Who Stood Up For Education And Was Shot By The Taliban

Die Männer sind zahlreich. Unter ihnen Philosophen, Pädagogen, Führer von Befreiungsbewegungen Sozialrevolutionäre und weitere Friedensnobelpreisträger. Die Porträts von Fidel Castro und Che Guevara, von Ho Chi Minh und dem Dalai Lama, Martin Luther King und Yassir Arafat hängen einträchtig nebeneinander. Mahatma Ghandi, die große Seele, ist anwesend, genau so Nelson Mandela und Michael Gorbatschow sowie der pakistanische Philanthrop und Humanist Abdul Sattar Edhi, Gründer der Edhi-Stiftung, die überall in Pakistan Krankenhäuser, Obdachlosen- und Waisenheime sowie Rehabilitationszentren unterhält. Lesenswert seine Biographie: A Mirror To The Blind. In der Speisekarte in prominenter Position: John Lennon, mit dem vollständigen Text von Imagine.

Das Global Village Kafé ist das Schaufenster der Global Village Foundation, einer NGO, die sich der Aufgabe widmet, die Lebensbedingungen und die Lebensqualität der benachteiligten, nordbalinesischen Bevölkerung zu verbessern. Viele Familien im ländlichen Nordbali haben kaum Zugang zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse, führen ein Leben in Armut, ohne ausreichende medizinische Versorgung, in prekären hygienischen Verhältnissen, die Kinder fern von schulischer Bildung. Die Global Village Foundation engagiert sich in drei fundamentalen Bereichen zur; Etablierung ihres menschenwürdigen Lebens:
in der Verbesserung und Modernisierung des Wohnraums: Elektrifizierung, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, Toiletten und Badezimmer, Sanierung oder Abriss veralteter, unhygienischer oder umweltschädigender Einrichtungen.
in der Gesundheitsvorsorge: Übernahme individuell nicht leistbarer Kosten medizinischer Behandlung, Transporte ins Krankenhaus, Kosten für Physiotherapie und Rehabilitation, Rollstühle und anderes medizinisches Gerät.
in der Bildung: Kosten schulischer Ausbildung wie Schulbücher und Schuluniform, Unterstützung der Eltern und Schüler in Belangen des Unterrichts, Kompensation von wirtschaftlichen Engpässen in der Familie durch die Schulausbildung ihrer Kinder.

Um diese vielfältigen Aufgaben zu finanzieren, dient das Kafé mit dem angegliederten Shop, der charakteristische, kunsthandwerkliche oder Hygieneprodukte auf natürlicher Basis anbietet: Ein kleiner Eine-Welt-Laden!
Während ich diesen Brief schreibe, füllt sich das Kafé allmählich. Die drei Strophen von Image fluten den Raum. Ihr Motto und ihre Hymne, in Lennons eigener Schreibe:
You may say I’am a dreamer
But I’am not the only one
I hope someday you will join us
And the world will live as one
.
Sonst meistens Ethnic oder World Music. Keine seichte Popmusik.

Täglich begegnet mir ein junger Mann am Strand vor der Pura Dalem. Er sitzt im Rollstuhl und fährt mit lauter Musik am Strand entlang oder, ohne auf die vielen Fahrzeuge zu achten, durch die Straßen von Kalibukbuk. Er rastet mal hier, mal dort, und präsentiert seine Musik.
Und es wird gebettelt in Lovina, nicht häufig, aber unübersehbar. Schon in Ubud saßen Frauen mit ihren Kindern und ausgestreckter, geöffneter Hand am Straßenrand. Immer alte Frauen oder Mütter, mit ihren kleinen Kindern. Nie Männer. Für mich ist das erschreckend neu in Bali, dass Familien ihren Lebensunterhalt nicht mehr auf ihren Feldern oder in den Gärten erwirtschaften können. Auch eine Folge des Tourismus? Die sich öffnende Schere zwischen oben und unten, zwischen arm und reich. Zwischen Dorf und Land. Wieder frage ich mich: Wohin fließen die Einnahmen des Tourismus? Was re-investiert der indonesische Staat aus seinen Steuereinnahmen aus der Tourismusindustrie? Was ich gebe, ist kaum der Rede wert, ich hoffe, es ist hilfreich.

Die Pura Dalem von Kalibukbuk steht dem Meer zugewandt, so kelod, so südwärts, wie möglich, keine hundert Meter vom Strand entfernt. direkt jenseits der Promenade und einem großen Parkplatz. Die Front des Tempels wird von einem Dutzend steinerner Dämonen bewacht mit heraushängenden Zungen, spitzen Eckzähnen, Glubschaugen und Hängebrüsten. Ein Symbol des Hässlichen, des Monströsen und Furcht einflößenden. Das Böse lässt sich nur durch Gute und Richtige begrenzen. „Sei so gut, wie es dir möglich ist“, zitiert das Global Village Kafé den Dalai Lama, „und erinnere dich, es ist immer möglich“.
Auf dem großen, freien Platz vor dem Unterwelttempel, dem Durga, alias Rangsa, und ihrem Heer von Leyaks und Butakala geweihten Ort in dieser Welt, liegt das Volleyball-Feld. Spätnachmittags trainieren die jungen Männer dort mit Leidenschaft.
Mauer an Mauer mit der Pura Dalem, das Restauran Bintang Bali, Stern von Bali. Es hat mich seltsam berührt, eine Handbreit von der Umfassungsmauer des Tempels entfernt, etwas zu essen, ein Gefühl, ich sitze an einer Friedhofsmauer. So nahe bin ich Rangda und ihrem Heer zuletzt vor Jahren auf einem kleinen Friedhof mitten in Reisfeldern gekommen. Etwas lag spürbar in der Luft, dass mich schaudern ließ. Wie eng gut und böse, Leben und Tod, in unserer Welt benachbart sind, wird mir an dieser Grenze im Bintang Bali bewusst. Diese unmittelbare, sich durchdringende Nähe von Gegensätzen, diese unproblematische Integration von scheinbar Unvereinbarem, macht Bali so faszinierend. We pass through this world but once. Any good, therefore, that we can do, or any kindness we can show to any human being, let us do it now. Let us not defer it or neglect it, for we shall not pass this way again (The Global Village Foundation).

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